AMSAND

 

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Menschen ohne Erwerbsarbeit sind stigmatisiert. Arbeit ist identitätsstiftend und Quelle des Selbstwertgefühls, darüber herrscht Einigkeit in einer Gesellschaft, die Arbeit zum Fetisch erhoben hat..

Menschen, die nicht im Arbeitsprozess stehen, wird stets - bewusst oder unbewusst- persönliches Versagen zugeschrieben. Wer will, kriegt schon Arbeit: Dies ist der Tenor der ganzen Bandbreite von laienhaften bis professionell dünkenden Stellungnahmen in der Öffentlichkeit. Jeder kennt irgendwen, der es doch geschafft hat. Aus Eigeninitiative oder via arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, deren erfolgversprechende Ergebnisse uns auf Hochglanzbroschüren anlachen.

Durchwegs unterstellt man den Betroffenen, dass sie sich nicht ausreichend bemühen, dass ihnen die Motivation fehlt; man konstatiert psychische Defizite. Die Qualifikation scheint nie zu passen: sei es, dass sie zu gering oder gar zu hoch ist. Man ist unfähig, sich auf die wechselnden Anforderungen des Arbeitsmarktes einzustellen. Arbeitslose sind nicht flexibel genug, wird ihnen beschieden, sie können nicht mit der Entwicklung schritthalten. In einer Welt, in der allein die Wettbewerbsfähigkeit über die Position in der Gesellschaft entscheidet, tragen sie vorweg den Stempel des Nutzlosen, Alten, unbrauchbar Gewordenen, oder dessen, nach dem gar nicht erst gefragt wird. Sie sind nicht verwertbar.

Baby, you are out of time, signalisiert man, du hast das Gesetz von Angebot und Nachfrage nicht begriffen, hast verstoßen gegen das Gebot deiner 2. Natur, die die Marktwirtschaft ist. Orientiere dich um, passe dich an, damit du wieder eine wertvolle und verwertbare „Humanressource“ wirst.

Das AMS hält Abhilfe bereit. In meist sinnlosen, aber dafür umso teureren „Coachings“ wird dem freiwillig oder unfreiwillig Beglückten erklärt, was er bisher falsch gemacht hat. Simple, mitunter sogar sehr schlicht anmutende Rezepte sollen die zukünftige Performance in Bewerbungssituationen gewährleisten. „Sie müssen lernen, sich richtig zu verkaufen“, verraten die - oft bestenfalls semiprofessionellen – Trainer. „Bringen Sie ihre Persönlichkeit zur Geltung, präsentieren Sie Stärken, lavieren Sie Schwächen, dann stellt der Erfolg sich schon ein.“ Die bestallten Experten schöpfen tief aus dem Fundus ihrer Kurzschlussideologie.

Auch wir haben sattsam Erfahrung mit diversen Coachings, Trainings, die uns in regelmäßigen Abständen verordnet werden. Sie dienen der statistischen Verhübschung und weisen ein stets gleiches Strickmuster auf, wie auch immer sie heißen.

AMSand hat sich aus einem Stammtisch von Erwerbsarbeitslosen gegründet, die vom AMS frustriert waren und sich mit Leidensgenossen zusammentun wollten. Wir

tauschten unsere Erfahrungen aus und gewannen so eine politische Perspektive auf unsere Probleme, die wir als gemeinsame erkannten.

Eckpunkte unserer Betrachtungsweise sind:

•  Steigende Produktivität : das gesamtgesellschaftliche Arbeitsvolumen schrumpft zusehends und keine arbeitsmarktpolitische Maßnahme kann diesen Trend umkehren; die Arbeit geht aus.

•  Massiv schlechter werdende Arbeitsbedingungen : durch den massiven Abbau der sozialen Sicherungen und das Ausrichten der Politik ausschließlich an den Bedürfnissen und Anforderungen der Konzerne werden die Arbeitsbedingungen jener Menschen, die noch Erwerbsarbeit haben, zunehmend schlechter.

•  Entfremdung : Arbeit dient unter bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen der Vermehrung privater Gewinne und nicht der Erfüllung von persönlichen und sozialen Bedürfnissen der Lohnabhängigen und deren Streben nach Selbstverwirklichung.

Conclusio ist : Wir wollen daher keine Arbeit um jeden Preis. Wir wollen in einer Welt leben, in der die Menschen in freier sozialer Vereinbarung gesellschaftlich notwendige und wünschbare Tätigkeiten eigenbestimmt ausführen.

Als Initiative von Erwerbsarbeitslosen, die die Ursachen und Auswirkungen von Arbeitslosigkeit im Kontext der kapitalistischen Verhältnisse begreift, fanden wir es wichtig, dass wir in der Öffentlichkeit sichtbar wurden.

Was wir tun: Wir platzieren wir uns vor irgendeiner AMS-Filiale (Wir sind KundInnen!) und informieren mittels Flugblatt und persönlichen Gesprächen. Ab und zu machen wir auch durch Kundgebungen auf uns aufmerksam.

Eine weitere wichtige Säule unseres Engagements sind die Sozialforen. Wir haben uns beim im letzten Mai abgehaltenen österreichischen Sozialforum sowohl organisatorisch als auch inhaltlich eingebracht. Wir organisierten eine Konferenz zu den Thema Einkommen, in der die Frage nach der Herkunft des gesellschaftlichen Reichtums aufgeworfen wurde. Eine andere Konferenz befasste sich mit dem Grundverständnis von Arbeit. Besonders wichtig war es, auch dieses Forum für die Lancierung der Forderung nach einem garantierten Grundeinkommens zu nützen, die Notwendigkeit herauszuarbeiten und die erforderlichen Rahmenbedingungen zu analysieren.

Die Sozialforen bieten uns die Möglichkeit, mit unseren Anliegen aufzutreten und uns einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen. In den Treffen mit anderen Initiativen und Organisationen bilden wir lokale, nationale und internationale Netzwerke, finden Unterstützung für Kampagnen und Plattformen. Es gibt Betroffenheitslagen wie Armut, Diskriminierung und soziale Entrechtung, die Erwerbsarbeitslose mit anderen Gruppen teilen; schon aus diesem Grund liegt es nahe, gemeinsame Antworten zu formulieren, und nicht nur das: Theorie und Praxis bedingen einander. Wenn wir wollen, dass die Systeme der Herrschaft, die Verdinglichung von Mensch und Natur, die Auflösung sozialer Zusammenhänge, kurz, die Beschlagnahme des gesamten Lebens zum Zweck seiner Verwandlung in toten Wert endlich der Vergangenheit angehören, müssen wir jetzt Alternativen nicht nur benennen, sondern sie auch leben. Aus Experimenten, in denen wir unser Zusammenleben ohne Markt und Staat organisieren, lernen wir bereits: gemeinsame Verrichtungen, gegenseitige Hilfeleistung, Erschließung von Ressourcen ohne Geld, und nicht zuletzt eine sensiblere und menschlichere Art des persönlichen Umgangs sind Beispiele auf dem Weg zur Realutopie. Mit ihnen verändern wir uns, wir möchten sie auch als bestimmende Größen in den Prozess der sozialen Foren einbringen.